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Der Ignaz-Lieben-Preisträger 2009

Der Ignaz-Lieben-Preis stellte von 1862 bis 1937 den bedeutendsten Beitrag zur Förderung der Naturwissenschaften in Österreich dar. 2004 wurde dieser Preis wieder ins Leben gerufen.

Preisträger des Jahres 2009 ist Frank Verstraete, der als einer der innovativsten, produktivsten Theoretiker im neuen, interdisziplinären Feld der Quanteninformation und Quantenverschränkung gilt. Quantenverschränkung bezeichnet jenes Phänomen innerhalb der Quantenmechanik, nach dem die Quantenzustände zweier verknüpfter Teilchen auch in großem Abstand voneinander identisch sein können. Frank Verstraetes Leistung liegt unter anderem darin, als einer der ersten den Begriff der Quantenverschränkung zur Beschreibung von stark korrelierten Vielteilchen-Systemen genutzt zu haben.

Frank Verstraete, geboren 1972 in Izegem (Belgien), studierte in Gent und Löwen und ist seit Oktober 2006 Professor für Theorie der Quantenoptik und Quanteninformation an der Universität Wien.

Siehe auch: Website der ÖAW

Alle Preisträger bis 2007

Preisverleihungen der vergangenen Jahre

Der Ignaz L. Lieben-Preis – ein österreichischer Nobelpreis

von Robert W. Rosner, Reinhard W. Schlögl und R. Werner Soukup

Im Jahre 1862, fünfzehn Jahre nach der Gründung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, wurde Andreas Freiherr von Baumgartner, der Präsident der Akademie, vom Beschluss der Familie Lieben informiert, eine Stiftung zur immerwährenden Förderung der wissenschaftlichen Forschung ins Leben zu rufen, die von der Akademie zu verwalten wäre. Die Stiftung sollte nach dem verstorbenen Gründer des Bankhauses Lieben den Namen Ignaz L. Lieben-Stiftung erhalten. Der Akademie wurde damit ermöglicht, österreichische Wissenschaftler für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Naturwissenschaften auszuzeichnen.

Ignaz Lieben hatte in seinem Testament verfügt, dass ein Betrag von 10.000 Gulden »für das allgemeine Beste verwendet wird«. Die Anregung, den größten Teil dieses Geldes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu verwenden, kam vom Chemiker Adolf Lieben, dem Sohn des Erblassers. Adolf Lieben, der später das II. Chemische Institut der Universität Wien leitete und selbst Mitglied der Akademie wurde, konnte zu jener Zeit, als die Stiftung geschaffen wurde, noch keinen akademischen Posten erhalten, weil damals aufgrund des Konkordats nur Angehörige der katholischen Religion als Professoren zugelassen waren.

Zum Zweck der Stiftung wurden bei der k.k. priv. österreichischen Nationalbank 6.000 Gulden mit einer 5%-Verzinsung angelegt. Mit den Zinsen dieses Vermögens sollte alle drei Jahre die beste Arbeit eines österreichischen Wissenschaftlers – abwechselnd auf dem Gebiet der Physik (einschließlich der physiologischen Physik) und dem Gebiet der Chemie (einschließlich der physiologischen Chemie) ausgezeichnet werden. Im Jahre 1863 wurde der Stiftbrief formuliert. Darin heißt es:

»Als preiswürdig sind allgemein nur solche Arbeiten zu betrachten, welche durch neue Entdeckungen die Wissenschaft bereichern oder in einer Reihe bereits bekannter Tatsachen die gesetzmäßigen Beziehungen aufgeklärt haben.«

Die Ignaz L. Lieben-Stiftung war die erste Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Österreich. Andere Stifter folgten dem Beispiel der Familie Lieben. So wurde nach dem Tod des Präsidenten der Akademie im Jahre 1869 die Andreas Freiherr v. Baumgartner-Stiftung für die besten Arbeiten auf dem Gebiet der Physik geschaffen. In den folgenden Jahrzehnten entstanden eine Reihe weiterer Stiftungen, die es der Akademie ermöglichten, regelmäßig Preise für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten zu vergeben. In Schweden wurde die Nobel-Stiftung erst 1900 geschaffen, also 38 Jahre nach der Gründung der Ignaz-Lieben-Stiftung in Wien.

Anlässlich des 50. Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josefs im Jahre 1898 erweiterte die Familie Lieben die Stiftung um 36.000 Kronen. 1908, zum 60. Regierungsjubiläum, wurde um nochmals 18.000 Kronen aufgestockt. Dadurch konnte der Ignaz Lieben-Preis von 1900 an jedes Jahr vergeben und auf hervorragende Arbeiten auf den Gebieten der Physiologie ausgedehnt werden. Als Nachtrag zur Liebenschen Stiftung wurde 1909 die Richard Liebensche Jubiläumszustiftung ins Leben gerufen. Aus dem Ertrag dieser Zustiftung sollte jedes dritte Jahr zusätzlich ein Preis für Mathematik vergeben werden. Ein österreichischer Wissenschaftler sollte diesen Preis für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der reinen oder angewanden Mathematik erhalten.

Da laut Stiftbrief Arbeiten der Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nicht berücksichtigt werden konnten, erhielten den Lieben-Preis eher jüngere Wissenschaftler. Das Preisgeld waren etwa 900 Gulden. Ein derartiger Betrag, der rund 40-45% des Jahresgehaltes eines Universitätsprofessors entsprach, war für den Preisträger von großer materieller Bedeutung. Noch wichtiger aber war das Ansehen, das der Inhaber dieses Preises gewann. Die Regeln, nach denen die Lieben-Preise vergeben wurden, waren sehr streng.

Der erste Preisträger war der Physiker Josef Stefan, der den Lieben-Preis im Jahre 1865 für seine Abhandlung, »Ein Versuch über die Natur des unpolarisierten Lichtes und der Doppelbrechung des Quarzes in der Richtung seiner optischen Achse« erhielt. Das letzte Mal wurde der Lieben-Preis im Jahre 1937 an zwei Mitarbeiterinnen des Radiuminstituts vergeben, nämlich an Marietta Blau und an Hertha Wambacher für ihre »Untersuchungen der photographischen Wirkungen der Alpha-Strahlen, der Protonen und Neutronen«

Viele der Preisträger, wie die Chemiker Rudolf Wegscheider, Josef Herzig oder Ernst Späth oder die Physiker Stefan Meyer, Karl Wilhelm Friedrich Kohlrausch oder Karl Przibram, die zu Institutsvorständen ernannt wurden, leiteten ihre Institute viele Jahrzehnte lang und spielten eine führende Rolle im Wissenschaftsleben Österreichs. Das gilt auch für viele auf dem Gebiet der Medizin tätigen Naturwissenschaftler, die den Lieben-Preis erhielten, wie Sigmund Exner, Arnold Durig oder Ernst Peter Pick. Andere, die ins Ausland gingen, wie Paul Friedlaender, Lise Meitner oder Fritz Paneth erwarben sich dort großes Ansehen.

Als Ergebnis der Erweiterung des Lieben-Preises auf weitere Gebiete der Wissenschaft erhielten auch Physiologen den Preis für Arbeiten, die keine Beziehung zur Chemie oder Physik hatten. Zu den ausgezeichneten Physiologen gehörten 1915 Wilhelm Trendelenburg, 1909 und 1918 Eugen Steinach, 1921 Karl von Frisch, 1924 Otto Loewi und Ernst Peter Pick, 1927 Otto Porsch, schließlich im Jahre 1936 Franz Lippay und Richard Rössler.

Das in der Nationalbank angelegte Vermögen der Lieben-Stiftung wurde 1923 als Folge der Inflation wertlos, ebenso das Vermögen der anderen Stiftungen. Daraufhin beschlossen die Nachkommen der ursprünglichen Stifter, jährlich der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen Betrag zu überweisen, damit der Lieben-Preis von der Akademie weiter vergeben werden konnte. Daher war die Lieben-Stiftung die einzige der großen Stiftungen der Vorkriegszeit, die auch in den Zwischenkriegsjahren erhalten blieb. Zuerst waren es zehn Millionen Kronen, dann wurden jährlich 1.000 Schilling überwiesen. Das erfolgte auch, nachdem das Bankhaus Lieben aufgrund der Wirtschaftskrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Das letzte Mal erhielt die Akademie der Wissenschaften im April 1937 ein Schreiben eines Mitglieds der Familie Lieben, in dem die Überweisung von 1.000 Schilling angekündigt wurde, also genau 75 Jahre nach der Gründung der Lieben-Stiftung. Der Verfasser dieses Schreibens, Heinrich Lieben, wurde sieben Jahre später in Auschwitz ermordet.

Durch die Bereitschaft von mehreren Generationen der Familie Lieben, die wissenschaftliche Forschung zu fördern und die Österreichische Akademie der Wissenschaften zu unterstützen, konnte mit dem Lieben-Preis eine Tradition aufgebaut werden, die in der Geschichte der österreichischen Wissenschaft einzigartig war. Mit den Ereignissen des Jahres 1938 und den nachfolgenden Vertreibungen und Arisierungen war das Ende der Lieben-Stiftung gekommen.

Nicht nur die Familie Lieben, sondern auch mehrere Lieben-Preisträger waren von den Ereignissen des Jahres 1938 betroffen. Manche, wie die Nobelpreisträger Victor Hess und Otto Loewi, der Pharmakologe Ernst Peter Pick, der Physiologe Franz Lippay, der Physiker Karl Przibram, die Physikerin Marietta Blau und einige andere, konnten flüchten. Der Prager Chemiker Hans Meyer, der 1905 den Lieben-Preis erhielt, starb im Konzentrationslager Theresienstadt. Es gab aber auch andere Preisträger. Der Grazer Physiker Armin Dadieu trat in der Steiermark als führender Nationalsozialist auf, der Wiener Chemiker Georg Koller spielte während des Krieges eine höchst problematische Rolle, und noch etliche weitere Lieben-Preisträger waren Mitglied bei der NSDAP.

Literatur

  • M. Wenger: Lieben-Preise. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2002, pp. 1-4
  • Denkschriften der Gesamtakademie 1, 1947, pp. 349-351
  • Almanach der Akademie der Wissenschaften 89, 1939, pp. 131-136
  • R. W. Rosner: Der Ignaz Lieben Preis. Ein österreichischer Nobelpreis. CHEMIE 4/1997, p. 30.

Links: Bewerbung Lieben-Award (ÖAW), Einreichtermin 2016 - bis 15.Mai 2016